Dienstag, 16. Februar 2010

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Frau Kommissarin, kommen Sie mit auf unseren Dachboden. Sie fragen, wo denn überhaupt unser Haus zu finden sei. Was spielt das denn für eine Rolle, wenn ich Ihnen die Möglichkeit gewähre, unseren Dachboden zu sehen. Der sollte für Ihre Ermittlungen wesentlich aufschlussreicher sein. Der Ort unseres Hauses ist papperlapapp. Es steht in einer Straße. Unweit davon ist ein Wald. Nicht viel weiter weg ein See. Irgendwo sind Wiesen. Andere Straßen. Eher ländlich würde ich sage. Eher dörflich vermute ich mal. Eher nicht in südlichen Gefilden. Aber auch an Seeluft kann ich mich nicht erinnern. Genügen Ihnen diese Auskünfte. Sind sie zufrieden jetzt. Was quengeln Sie, wenn ich Ihnen ein Angebot großer Intimität mache. Steigen Sie schon die Stufen empor. Öffnen Sie die Falltür. Ich bin zu schwach dazu. Ich bin einerseits Kind, noch nicht lange geboren, andererseits alt und vielfältig gebrechlich. Beeilen Sie sich, sonst vergesse ich, wer Sie sind. Jetzt drücken Sie doch das Türchen auf. Sie sind doch eine kräftige, eine starke Frau. Bei Ihnen zu Hause lebt sicher ein patenter Mann, der sich rührend um Ihre gesunden Kinder kümmert. Der sie an seine haarige, männliche Brust drückt u. der abends, wenn Sie nach Hause kommen, einen eleganten Anzug für Sie trägt, damit Sie mit ihren mörderfangenden Händen zwischen seine muskulösen Beine greifen können. Oder sind Sie etwa eine dieser Fernsehkommissarinnen, dem Trunk verfallen, einsam, in einer schmuddeligen Bude, nur noch von der Schminke zusammen gehalten. Wie, was soll das heißen, ich müsste es wissen. Frau Kommissarin, ich bin nur der Anatom, der Empiriker in der Geschichte, das Trüffelschwein, der Spürhund, wenn Sie so wollen. Und wollen Sie nun sehen, was ich entdeckt habe, oder wollen Sie nicht. Ich kann Ihnen äußerst interessantes Bildmaterial zeigen. Sie werden Augen machen, was Sie da sehen und erkennen können. Es wird endlich die ersehnte Spur sein. Lagen Sie mir nicht ganzen Tag in den Ohren mit Ihrer ersehnten Spur. Jetzt stemmen Sie sich mal richtig gegen diese Tür. Ich verspreche Ihnen auch eine kleine Erregung, Sie sind ja auch nur eine Frau. Jetzt lösen Sie sich doch nicht in Luft auf, Frau Kommissarin. Ich weiß doch, dass es Sie gibt. Sie haben doch immer schon ermittelt, ich erinnere mich ganz deutlich. Sie waren mir doch immer schon an den Fersen geklebt. Sie haben doch immer schon auch ein kritisches Auge auf mich geworfen. Sie wurden mir im Laufe der Jahre vertraut. Als Kind spielte ich mit Ihnen. Waren Sie nicht mal ein Teddybär oder ein Kaktus. Habe ich Ihnen nicht mal die Haare geschnitten. Hatten Sie nicht mal eine Befragung in unserem Keller durchgeführt. Ich erinnere mich, dass Sie an die Tür meines Waldhauses geklopft haben, also an das Brett, das die Tür symbolisierte, zu mehr reichte es nicht, da Vater sein Werkzeug nicht verlieh, bzw. ich zu faul war, es mitzuschleppen. Sie zeigten mir doch Ihren Ausweis. Jetzt treten Sie doch beim Gehen nicht so leise auf, als würde ich nicht hören, wie Sie die Treppe hinunter eilen. Ich hätte Ihnen ganz aparte Bildchen zeigen können. Sie sind in Pappkartons unter Illustrierten versteckt. Ganz kompromittierende Bildchen. Ich habe es immer gewusst. Endlich wäre Ihre Mühe, Ihr ewiges mir an den Fersen kleben, belohnt worden. Wo rennen Sie denn hin. Sie kennen den Weg doch gar nicht. Sie wissen doch gar nicht, wo unser Haus steht. Und so was will Kriminale sein, eine Logikerin des Aufspürens, die verläuft sich ja noch auf einer Treppe mit zwei Stufen. Die weiß doch nicht, wo es auf, wo es ab geht. Ihren Namen habe ich doch jetzt glatt vergessen. Ich liege als Kind auf dem Teppich im Flur und getraue mich nicht zu weinen. Die Türen sind alle geschlossen und ich habe in Gedanken die Frau Kommissarin zu Hilfe gerufen.


Die Kost der Nadelspitzen 9 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

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