Dienstag, 16. Februar 2010

48

Meine Mutter ließ es ihre Mutter, also meine Großmutter, schon sehr spüren, dass sie, die Großmutter, also ihre Mutter, das fünfte Rad am Wagen sei. Dass man sie, ihre Mutter, also meine Großmutter, lediglich duldete. Gerade so. Haarscharf. Um Haaresbreite. Auf Messers Schneide. Weil sie, also meine Großmutter, Mutters Mutter, die Mutter meiner Mutter, ja in der Küche mithalf. Aber eigentlich war sie, meine Großmutter, meiner Mutter, also ihrer Tochter, eine Last. Auch wenn sie nur gelegentlich bei uns wohnte. Großmutter, wohlgemerkt. Großvater, der Mann meiner Großmutter, der Vater meiner Mutter, war schon viele Jahrzehnte zuvor gestorben. Sie, also Großmutter, wäre ihm, also Großvater, in den Augen meiner Mutter, also ihrer und seiner Tochter, besser hinterher gestorben. Mutter, die Tochter meiner Großmutter und deren verstorbenen Mannes, also des Vaters meiner Mutter, hätte wohl, hätte man ihr, also meiner Mutter zentrales Nervensystem sprechen lassen, für Witwenverbrennung plädiert. Vielleicht wollte sie, die Tochter meiner Großmutter und meines Großvaters, die Frau meines Vaters und meine Mutter, deshalb vor Vater sterben. Sie starb allenthalben. Sie, meine Mutter, meines Vaters Frau, fürchtete es geradezu, ihn, meinen Vater, also ihren Mann, meiner Großmutter Schwiegersohn, zu überleben. So tyrannisch sie, also meine Mutter, das Kind ihrer Eltern, also meiner Großeltern mütterlicherseits, ihre Ehe und wahrscheinlich die Ehe schlechthin empfand, so gänzlich vernichtend war die Tatsache für sie, meine Mutter, ohne Mann und ohne Mutter dazustehen.


Die Kost der Nadelspitzen 48 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

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