Dienstag, 16. Februar 2010

3

Ich bin alt nun. Sehr alt. Und die Erinnerungen Vögel. Ich bin der Taubenhans und stehe auf dem Rathausplatz und streue Körner und Brotkrümel um mich aus. Die Tauben und Spatzen fliegen herbei und picken die Körner und die Krümel. Die Tauben laufen ihren merkwürdigen Gang. Der Kopf geht nach hinten und nach vorne u. ich spüre den Schmerz im Nacken. Tauben oder Spatzen setzen sich auf meine Hand oder auf meinen Unterarm oder auf meine Schulter oder meinen Kopf u. krallen ihre Füße in meine Haut. Das tut nicht weh. Es ist ein bisschen mehr als ein Kitzel. So sind die Erinnerungen. Wir wohnten in einem Haus. Oder in einem Schloss oder in einem alten Pavillon. Mit Wald und Wiesen drumherum. Oder waren es Haine? War da ein See? Oder ein Fischteich in unserem Garten? Ich glaube, hinterm Haus standen Bohnenstangen Spalier u. mein Bruder Jan und meine Schwester Astrid liefen lachend darunter hindurch. Meine Mutter freute das nicht und Vater war zum Glück in der Arbeit. Hatte ich diese Geschwister? Hatte ich Vater und Mutter? Die Vögel bleiben nie lange sitzen. Sie krallen ihre Füße nicht tief in die Haut. Manchmal verweilen sie ein bisschen, da sie fett wurden von den Körnern und Krümeln. Sie können nicht mehr gut fliegen. Sie sind unförmig geworden. Unbehände. Schwerfällig. Würde ich sie erschrecken, bekämen sie einen Herzinfarkt. Sie rühren sich kaum. Und es ist auch schon ein Vogel auf den Boden gefallen und liegen geblieben. Ein Sack mit Gefieder außen dran. Ein Wunder, dass er keinen Spatz erschlug. Oder einen Wurm.


Die Kost der Nadelspitzen 3 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen